Dehnung

Mit A, E, I, O und U haben wir nur fünf Vokale in unserer Sprache. Lassen wir neben ihnen noch die Umlaute und die Diphtonge gelten, so sind es schon ein paar mehr. Gemessen an der viel höheren Zahl der Konsonanten und an all den Dingen, die wir mit ihnen ausdrücken wollen, sind das nicht viele Buchstaben. Insofern müssen wir uns sowohl in der Lautung als auch in der Schreibung etwas einfallen lassen, um aus den wenigen Vokalen mehr Laute zu machen.

Prinzipiell haben wir dazu zwei Möglichkeiten. Zum einen können wir den Laut eines Vokals gezielt verändern. Wir können ihn länger oder kürzer klingen lassen, damit wir wissen, ob wir eine Schrotflinte oder eine Schrottflinte in der Hand halten. Oder wir können ihn umlauten, indem wir aus dem A ein Ä, aus dem O ein Ö oder aus dem U ein Ü machen. Zum anderen können wir ihn in der Schreibung verändern und den Laut dabei aber gleich lassen. Tun wir das, hören wir zwar den Unterschied zwischen beispielsweise dem Wal und der Wahl nicht mehr. Doch wenigsten sehen wir ihn, wenn wir diese Wörter lesen.

Zu einem Rechtschreibproblem wird dabei vor allem die Entscheidung, wie wir eigentlich einen Vokal schreiben, wenn er doch im Klang keinen wirklichen Unterschied macht. Welche Regel legt fest, wann man „Leere“ und wann man „Lehre“ schreibt oder wann man „Waagen“ oder „Wagen“ schreibt - um nur einmal zwei Extrembeispiele zu nennen? Und um gleich mal eine ernüchternde Antwort auf diese Frage zu geben: Richtige Regeln gibt es dafür nicht. Man muss die Schreibung lernen. Es gibt lediglich Regelmäßigkeiten, die einem helfen können. Und mit genau denen werden wir uns im Folgenden befassen.

Dehnung

Im Deutschen dehnen oder schärfen wir Vokale. Das bedeutet, dass wir sie entweder lang oder kurz sprechen. Die Schärfung ist für die meisten Menschen nicht so schwierig wie die Dehnung. Das liegt daran, dass wir mehr Möglichkeiten haben, lange Vokale zu schreiben, als uns für die kürzeren zur Verfügung stehen: Zum einen schreiben wir lange Vokale ohne ein besonderes Dehnungs-Zeichen. Das ist z.B. bei dem Wort „Vogel“ der Fall. Wir können aber auch den Vokal verdoppeln, wie wir das bei „Boot“ oder „Beet“ machen. Ferner können wir ein sogenanntes Dehnungs-H an den Vokal hängen. Das kennen wir z.B. bei dem Wort „Lohn“ oder „Wahrheit“. Bei dem Buchstaben „i“ können wir die Dehnung zusätzlich noch durch ein angehängtes „e“ signalisieren.

Das Dehnungs-H

Die häufigsten Fälle der Dehnung erledigen wir mit dem Buchstaben H. Das ist hilfreich. Denn gleichzeitig tritt das Dehnungs-H nur in Verbindung mit vier Buchstaben auf: mit dem m, dem n, dem l und dem r. Du wirst es niemals vor einem anderen Buchstaben sehen; und wenn, dann ist es kein Dehnungs-H.

Das kann man übrigens auch hören. Sprich einmal für dich die folgenden Wörter und höre selbst oder lass jemanden hören, ob das H hörbar wird: Ahnung, Rahmen, Mehrheit, Ohrenwärmer, Armbanduhr.

Dort, wo man das H leicht hören oder mindestens spüren kann, haben wir es nicht mit einem Dehnungs-H zu tun und es steht dort auch in der Regel nicht vor den eben genannten Buchstaben: gehen, nahe, siehe, Uhu. Dieses H hat eine andere Funktion. Ohne es würden zwei Vokale direkt aufeinanderfolgen und beim Leser Verwirrung stiften. Wir benutzen es, um solche Silben klarer voneinander zu trennen, weshalb es auch als Silbentrennungs-H oder als Silbenfugen-H bezeichnet wird. Du findest dieses nicht, wie das Dehnungs-H, vor den Buchstaben m, n, l und r.

Daraus können wir zwei hilfreiche Regeln ableiten:

1. Folgt auf einen langen Vokal ein m, n, l oder r, dehnen wir den Vokal wahrscheinlich mit einem h. Folgt auf einen langen Vokal ein anderer Konsonant, so wird dieser Vokal wahrscheinlich nicht mit einem h gedehnt, sondern auf eine andere Weise.

2. Folgt auf einen langen Vokal ein m, n, l oder r, dehen wir den Vokal wahrscheinlich mit einem h. Folgt auf einen langen Vokal ein weiterer Vokal, so werden diese Vokale wahrscheinlich durch ein Silbenfugen-H getrennt.


1. Eine Übung zur ersten Regel

Entscheide bitte bei den folgenden Wörtern, auf welche Weise sie gedehnt werden müssen, indem du in die Lücke entweder ein „h“ oder einen verdoppelten Vokal einträgst. Für den Fall, dass ein Vokal nur lang gesprochen wird, ohne dass man dies durch ein Dehnungszeichen angeben müsste, trägst du bitte fein Minuszeichen („-“) in die Lücke ein.


1. Das Bot
2. Der Regen
3. Die Sane
4. Der Lerer
5. Das Blumenbet
6. Der Sal *
7. Der Stul
8. Das Mel
9. Die Sele *
10. Die Klage
11. Die Denung
12. Der Ramspinat
13. Der Fön
14. Der Fänrich
15. Der Füerschein
16. Die Wut


* An den Wörtern „Saal“ und „Seele“ kannst du sehen, dass die Regel, um die es in dieser Übung geht, nicht immer gilt, sondern nur in den meisten Fällen. Du musst also wie überall in der Rechtschreibung auch hier mit Ausnahmen rechnen.


2. Eine Übung zur zweiten Regel

Es ist nützlich, wenn man ein Dehnungs-H von einem Silbenfugen-H unterscheiden kann, weil einem das eine größere Sicherheit beim Gebrauch des Buchstaben H gibt und weil man dann eine Ahnung davon bekommt, wie häufig (nämlich sehr häufig!) wir ihn eigentlich gebrauchen.

Du weißt jetzt, wo ein Dehnungs-H vorkommt: nach langem Vokal und vor den Buchstaben m, n, l, und r.

Das Silbenfugen-H kommt dort vor, wo ein Wort aus mehreren Silben besteht und wo eine Silbe mit einem langen Vokal endet und die nächste mit einem Vokal beginnt. Zwischen diesen Vokalen haben wir in der Regel ein Silbenfugen-H, damit die Trennung der Silben klarer ist und nicht zu Verwirrungen führt. In der Regel verwenden wir es bei Verben.

Ein Beispiel: Das Verb „nahen“ besteht aus zwei Silben: na-hen. Hätten wir kein H zwischen diesen Silben, wüssten wir u.U. nicht genau, ob das Wort wie naen oder wie nän ausgesprochen wird. Darum schafft ein Silbenfugen-H hier Eindeutigkeit. Das Silbenfugen-H bleibt übrigens auch dort stehen, wo wir es mit einer einsilbigen konjugierten Form eines Verbs zu tun haben. Weil das Verb „stehen“ beispielsweise mit einem Silbenfugen-H geschrieben wird, schreiben wir es auch bei „du stehst“, „sie steht“ und „ihr steht“. Genauso wie das Dehnungs-H bleibt also auch das Silbenfugen-H bei unterschiedlichen Formen von Wörtern erhalten.


Nun zur Übung! Entscheide bitte per Knopfdruck bei den folgenden Wörtern, ob das H ein Dehnungs-H oder ein Silbenfugen-H ist. Wie immer erfährst du sofort, ob du richtig liegst oder nicht.

1. Die Nahrung

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Richtig! Das H steht nach einem langen Vokal und vor einem R.
Nein, leider falsch!

2. sehen

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Ja! Ohne dieses H könnte man das Wort mit dem Plural von See verwechseln.
Nein, das ist ein Silbenfugen-H.

3. Es geht.

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Genau, das ist das unveränderte Silbenfugen-H von „gehen“.
Nein, schau mal, vor welchem Buchstaben das H steht!

4. Die Währung

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Ja, das ist ein Dehnungs-H, das uns zeigen kann, dass es auch Umlaute dehnen kann.
Nein, die zweite Silbe beginnt nicht mit einem Vokal.

5. ihm

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Richtig! Bei Pronomen dehnen wir sogar den Buchstaben „i“ mit dem H.
Leider nein! Das kann schon deshalb nicht stimmen, weil dieses Wort nur aus einer Silbe besteht.

6. Tahina

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Ja, bei diesem Fremdwort steht das Silbenfugen-H sogar ausnahmsweise mal vor einem I.
Das kann kein Dehnungs-H sein, weil das A kurz gesprochen wird.

7. Der Schuh

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Ja, dieses Silbenfugen-H kann man erkennen, wenn man „Schuh“ verlängert: „Schu-he“.
Das war ein etwas gemeines Beispiel, weil wir hier nur eine Silbe haben. Das ist aber trotzdem kein Dehnungs-H.

8. kühlen

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Richtig. Man kann hier sehen, dass das Dehnungs-H auch bei Verben vorkommt.
Das ist ein Dehnungs-H, was man an dem folgenden L sehen kann.

9. ungefähr

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Genau! Dies ist mal ein Dehnungs-H in einem Adverb.
Hinter dem H steht ein R. Hier werden durch das H keine Silben getrennt. Echt nicht!

10. Zehn

Dehnungs-H Silbenfugen-H
Richtig! Es geht hier um die Zahl und nicht um die Zehen am Fuß. Dort wäre es ein Silbenfugen-H.
Nein, das ist kein Silbenfugen-H. Es sind nicht die Zehen gemeint, sondern die Zahl.

Andere Arten der Dehnung

Zum Schluss muss es natürlich noch um die Frage nach den anderen Arten der Dehnung gehen. Wir dehnen unsere Vokale schließlich nicht nur mit dem H, sondern auch durch die Vokalverdopplung oder durch ein E, dass wir an ein I hängen. Viel gibt es hier zum Glück nicht zu sagen.

Vokalverdopplung

Die Vokalverdopplung selbst folgt keiner wirklichen Regel. Manche Wörter werden mit AA, manche mit EE und manche mit OO geschrieben und der Grund dafür ist in der Regel eher sprachgeschichtlicher Natur und keiner der Rechtschreibung. Die einzige Regelmäßigkeit, die es hier zu beobachten gibt: Die Vokale I und U werden bei uns zum Zweck der Dehnung nicht verdoppelt. Das I dehnen wir mit dem E und das U kommt mit sich selbst und mit einem gelegentlichen H aus.

Lediglich an einer Stelle bietet die Vokalverdopplung uns eine Regelmäßigkeit: Verändert sich ein langer Vokal zu einem Umlaut, so wird aus einem Doppelvokal ein einfacher Vokal.

Beispiel: Aus Haar wird das Härchen, aus Paar wird das Pärchen, aus Boot wird das Bötchen und Moos wird zum Möschen.

I und IE

Auch bei der Dehnung des Buchstabens „I“ stehen uns nur Regelmäßigkeiten, aber keine handfesten Regeln zur Verfügung. Dabei sind vor allem zwei Dinge zu beobachten: 1. Der Buchstabe „I“ wird nicht mit dem H gedehnt, sondern mit dem E. 2. Nur bei den Personalpronomen geschieht es, dass sie durch ein H gedehnt werden: ihm, ihr, ihn, ihnen usw.

Und sollte dich jetzt die Frage umtreiben, was es eigentlich mit dem H bei „geschieht“ auf sich hat, so kannst du diese Frage gewiss selbst beantworten, wenn du einen Moment darüber nachdenkst. Du könntest dich aber auch auf den Kopf stellen ...

...dann könntest du nämlich herausfinden, dass das H bei „geschieht“ ein Silbenfugen-H ist, das es bei Verben wie „geschehen“, „sehen“, „ziehen“, „leihen“ und ähnlichen gibt.


Zurück